Bisher hatte ich noch nie etwas vom Black Canyon Nationalpark gehört, doch letztes Jahr stand das wunderschöne Colorado auf unserem Reiseplan. Der Black Canyon of the Gunnison - so der richtige Name des Nationalparks - liegt nicht auf der typischen Touristenroute, was ihm sehr zu gute kommt. Doch für "Südwest-Reisende" ist der Black Canyon auf jeden Fall ein lohnenswerter Abstecher. Von Moab gerade mal eine Tagestour entfernt hat man die Möglichkeit, das Tal des Gunnison Rivers auf einer einzigartigen Wanderung kennen zu lernen. Was von oben aufgrund der vielen Schatten zu später Stunde sehr trist aussah, entwickelte sich am nächsten Morgen zu einem perfekten, spannenden und unvergesslichen Ausflug.
Im Visitor Center des Nationalparks informierten wir uns früh morgens über die Wanderung herab in den Canyon bis hinunter zum Gunnison River. Wir hatten im Vorfeld viel darüber gelesen, doch die sehr nette Rangerin erzählte uns geduldig alle Einzelheiten zu der Wanderung und machte uns besonders auf die Gefahren aufmerksam (u.a. sehr steil, Warnung vor Zecken, Überanstrengung und auf das erforderliche, richtige Schuhwerk). Sie zeigte uns aus einer Mappe markante Wegpunkte (es ist kein markierter Weg) und vor allem Fotos vom steilsten Stück des Weges. Außerdem empfahl sie uns, ausreichend Wasser mitzunehmen. Der Black Canyon wäre steiler und anstrengender als z.B. der Abstieg in den Grand Canyon; auch wenn es von den Temperaturen nicht so heiß werden würde. Sie betonte mehrfach, dass man lieber früh genug umkehren sollte, als später den anstrengenden Aufstieg aus eigener Kraft nicht zu schaffen. Sie händigte uns das kostenlose Permit aus (es dient zur Kontrolle, wer noch im Canyon ist) und wir gingen frohen Mutes los.
Der Trailhead begann mit einigen harmlosen Holzstufen direkt hinter dem Visitor Center und verlief vorerst zwischen grüngelben Hecken entlang der Abbruchkante des Canyons. Dieses Stück fanden wir aufgrund des beginnenden Indian Summers sehr sehenswert. Doch schon nach einer dreiviertel Meile erreichten wir das Waldstück. Ab diesem Zeitpunkt gab es keinen markierten Weg mehr, wir konnten den Pfad nur erahnen und folgten einigen Spuren. Nur eins war sicher: es ging schwer bergab. Wir stiegen über Baumstämme, und in spitzen Kehren ging es steil in den Canyon hinunter. Das Problem: auf dem Waldboden war es trotz sehr guten Wanderschuhen sehr rutschig. Zum Glück hatten wir unsere Wanderstöcke dabei, die uns in diesem Teilstück etwas Halt gaben. Dann erreichten wir das Stück, für das der Black Canyon bekannt ist und welches viele Wanderer zur Umkehr zwingt: vor uns lag eine zweite Abbruchkante - extrem steil, extrem rutschig und mit einer extrem langen Eisenkette. Das war also die Stelle, wo auch wir eine Entscheidung treffen mussten: weiter gehen oder umkehren. Im Vorfeld hatten wir besprochen, dass wenn sich dies einer nicht zutraut, wir dann beide umkehren würden. Doch wir wollten es beide probieren. Ich persönlich hatte vor dieser Stelle auch einen enormen Respekt, war dementsprechend auch extrem vorsichtig zumal ich den schweren Rucksack auf dem Rücken trug. Ich wusste nicht wirklich, wie ich dieses Stück meistern sollte: vorwärts, rückwärts? Es muss schon etwas komisch ausgesehen haben, wie ich mich dort herunter getastet habe: in einer Hand die Wanderstöcke, in der anderen die Kette und immer die Sorge: was passiert, wenn ich den Halt verliere? Ich kann diese Situation schwer beschreiben. Stellt es Euch bildlich folgendermaßen vor: eine Kette, die an beiden Enden befestigt ist und sonst lose auf dem Boden liegt. Ein extrem steiler, rutschiger Weg, wo es keinen natürlichen Halt gibt.
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Doch irgendwann hatte ich es auch geschafft - ich weiß nur noch, dass es irgendwann um eine Kurve ging und ich irgendwie über die Kette gestiegen bin. Im Nachhinein muss ich sagen: rückwärts runter wie die Bergsteiger war die einfachste, schnellste und sicherste Variante.
Nachdem wir diese Hürde gemeistert hatten, lag die nächste direkt vor uns. Der Weg blieb steil, und der Untergrund war nun ausschließlich loses Geröll! Nicht sehr toll, dafür aber spannend - nach dem Motto: wer zuerst ausrutscht fällt tief. Wir hatten quasi freie Sicht auf den Gunnison River. Obwohl es trotz allem wahnsinnig viel Spaß machte und wir dieses Erlebnis wirklich genossen, wurde ich nach dreiviertel der gesamten Strecke zur Umkehr gezwungen: nicht, weil ich nicht mehr wollte (im Gegenteil), auch nicht, weil ich die Hose voll hatte (im Gegenteil)... nein, es war mein rechtes Knie, das höllisch schmerzte. Mein Meniskus hatte sich pünktlich am Vortag zurück gemeldet und machte nun wein Weiterkommen unmöglich. Nur mit vielen Worten ließ ich mich zur Umkehr überreden. Mit Hilfe von Aspirin und den Wanderstöcken konnte ich den extrem steilen Aufstieg meistern. Dieser war besonders anstrengend, weil man irgendwie immer abrutschte. Auch die Ketten waren auf dem Rückweg kein Problem mehr (zum dritten mal: im Gegenteil). Man könnte auch sagen: flink wie ein Affe *g*.
Was wir beide aber bis heute nicht begreifen: an der Kette kamen uns 2 Mexikaner entgegen. Sie wirkten nicht nur unheimlich, sie waren auch lebensmüde. Auf Sandalen, in großem Tempo und ohne sich an der Kette festzuhalten konnten sie nicht schnell genug in den Canyon absteigen - unglaublich, ja sogar unverantwortlich.
Nach gut 4,5 Stunden kamen wir recht groggy wieder am Visitor Center an und konnten die Permits auch wieder persönlich abgeben. Die Rangerin meinte nur: wir sollten uns nicht schämen, es nicht ganz bis unten geschafft zu haben. Und das taten wir auch nicht. Ich war nur etwas traurig, weil mein Knie dies verhindert hatte.
Naja, es wird bestimmt wieder eine Möglichkeit geben!
(c) Michael Schlebach - Alle Rechte vorbehalten